Neu: Bezahlter Urlaub für die Betreuung von Angehörigen

Seit dem 1. Januar 2021 haben Arbeitnehmer Anspruch auf bis zu 10 Tage bezahlten Urlaub pro Jahr für die notwendige Betreuung eines Familienmitglieds und/oder Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung.

Der neue Gesetzesartikel im Obligationenrecht (OR) unter dem Titel «Urlaub für die Betreuung von Angehörigen» lautet wie folgt: «Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist; der Urlaub beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr» (Art. 329h OR).

Im Rahmen dieser Anpassung wurde auch das Arbeitsgesetz (ArG) entsprechend angepasst bzw. ergänzt: «3 Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses Urlaub für die Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung zu gewähren; der Urlaub ist auf die für die Betreuung erforderliche Dauer begrenzt, beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis. 4 Ausser bei Kindern beträgt der Betreuungsurlaub höchstens zehn Tage pro Jahr» (Art. 36 Abs. 3 und 4 ArG).

Wer gilt als Angehöriger

Der Gesetzgeber geht vom Angehörigenbegriff nach AHVG aus. Das AHVG stellt gewisse Personen den Verwandten gleich. Es sind demnach folgende Personengruppen umfasst (vgl. Art. 329h OR i.V.m. Art. 29septies Abs. 1 AHVG):

  • Verwandte in auf- und absteigender Linie (Eltern, Grosseltern, Kinder, Grosskinder etc.);
  • Geschwister;
  • Ehegatte/Ehegattin;
  • Eingetragene/r Partner/in;
  • Schwiegereltern;
  • Stiefkinder;
  • Lebenspartner/in, sofern seit mindestens 5 Jahren ein gemeinsamer Haushalt geführt wird.

Notwendigkeit der Betreuung

Der Anspruch auf bezahlten Urlaub besteht nur, wenn die Betreuung notwendig ist. Die Notwendigkeit hängt massgebend von der Situation der betreuungsbedürftigen Person einerseits und von der Möglichkeit, Verfügbarkeit und Zumutbarkeit der Betreuung durch eine andere Person andererseits ab. Das Gesetz setzt insbesondere eine gesundheitliche Beeinträchtigung voraus.

Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss eine gewisse Intensität erreichen, so dass der/die Angehörige auf Betreuung angewiesen ist. Ausserdem darf diese Beeinträchtigung nicht absehbar gewesen sein, so dass man die Betreuung hätte im Voraus anderweitig organisieren können. Zudem besteht der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Urlaub maximal solange, bis die Betreuung anderweitig organisiert werden kann.

Umfang des bezahlten Urlaubs zur Angehörigenbetreuung

Das Gesetz spricht von einem maximalen Zeitraum von 3 Tagen pro Ereignis. Dies sollte es betroffenen Arbeitnehmern ermöglichen, eine anderweitige Betreuung zu organisieren. Kann eine andere Betreuung schon früher organisiert werden, entfällt damit grundsätzlich der Anspruch auf bezahlten Urlaub. Der Beweis dafür, dürfte in der Praxis jedoch schwierig zu erbringen sein.

Sofern es mehrere Ereignisse im Jahr gibt, wofür der Arbeitnehmer den bezahlten Urlaub zur Angehörigenbetreuung geltend macht, ist der totale Anspruch auf maximal 10 Tage begrenzt. Wobei das Arbeitsgesetz die Betreuung von Kindern explizit von dieser maximalen Begrenzung von 10 Tagen ausnimmt. Hierzu sei erwähnt, dass auf den 1. Juli 2021 eine weitere Gesetzesneuerung betreffend die Betreuung von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern in Kraft tritt. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Lohnanspruch

Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, hat der Arbeitnehmer normal Anspruch auf Lohn für den entsprechenden Urlaub. Die Lohnfortzahlung richtet sich nach Art. 324a OR.

Ärztliches Zeugnis

Nicht im OR aber im ArG ist vorgesehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses zu gewähren hat. Dieses ärztliche Zeugnis hat sich über die Betreuungsbedürftigkeit der/des Angehörigen auszusprechen und nicht über eine Arbeitsunfähigkeit des betreuenden Arbeitnehmers, was in der Praxis fälschlicherweise wiederholt auftritt. Der Arbeitnehmer ist i.d.R. aufgrund der Betreuungsbedürftigkeit nicht arbeitsunfähig.

Auch wenn man den Gesetzestext so verstehen könnte, muss das ärztliche Zeugnis nicht bereits in dem Moment vorliegen, indem der Arbeitnehmer den Betreuungsurlaub antreten möchte.

Da die Vorlage des ärztlichen Zeugnisses im ArG erwähnt ist, im OR aber nicht, könnte das dazu führen, dass nur dem Arbeitsgesetz unterstellte Arbeitnehmer zur Vorlage eines solchen Zeugnisses verpflichtet sind. Dies wird die Gerichtspraxis zeigen müssen.

Luzern, 3. Mai 2021

Simeon Beeler

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