Erbrechtliche Ausgleichung

Im Erbteilungsrecht gibt es ein Gleichbehandlungsprinzip, dieses gilt für alle Erben. Die Ausgleichung ist ein Instrument, um diese Gleichbehandlung in der Erbteilung zu erreichen. Wer ist zur Ausgleichung berechtigt und wer ist verpflichtet?

Was unterliegt der Ausgleichung?

Der Ausgleichung unterliegen können lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen vom Erblasser an einen Erben. Bei bloss teilweiser Unentgeltlichkeit, ist nur der unentgeltliche Teil allenfalls ausgleichungspflichtig.

Wer ist ausgleichungspflichtig?

Ausgleichungspflichtig können nur Erben sein. Wenn also der Empfänger einer lebzeitigen Zuwendung des Erblassers nicht Erbe ist bzw. als Erbe wegfällt (z.B. durch Ausschlagung der Erbschaft, infolge Erbverzicht oder Enterbung), ist er auch nicht zur Ausgleichung verpflichtet. Diesfalls stellt sich die Frage, ob diese Person eine lebzeitige, unentgeltliche Zuwendung des Erblassers allenfalls über die Herabsetzung teilweise zu erstatten hat, also dann wenn der Pflichtteil eines Erben verletzt ist.

Für die Nachkommen des Erblassers, also die Kinder, Grosskinder etc., sieht das Gesetz grundsätzlich eine Ausgleichungspflicht vor (Art. 626 Abs. 2 ZGB, sog. gesetzliche Ausgleichung). Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass der Erblasser seine Nachkommen gleichbehandeln möchte. Es braucht also grundsätzlich keine Anordnung der Ausgleichungspflicht. Es sei denn, es wird durch letztwillige Verfügungen in die Höhe der gesetzlichen Erbteile insbesondere in die Gleichbehandlung der Nachkommen eingegriffen, weil diesfalls von der Intestaterbfolge abgewichen wird (vgl. dazu die Ausführungen hiernach). Wenn der Erblasser einzelne oder alle Nachkommen von der Ausgleichungspflicht dispensieren möchte, kann er dies durch eine entsprechende Anordnung machen.

Für die übrigen gesetzlichen Erben, die nicht Nachkommen sind, sieht das Gesetz eine Ausgleichungspflicht nur für lebzeitige Zuwendungen vor, welche der Erblasser «auf Anrechnung an ihren Erbteil zugewendet hat» (Art. 626 Abs. 1 ZGB, sog. gewillkürte Ausgleichung).

Die gesetzlichen Ausgleichungsbestimmungen von Art. 626 ZGB gelten gemäss aktueller Rechtsprechung grundsätzlich nur bei der Intestaterbfolge, d.h. soweit sich das Erbrecht aus der gesetzlichen Erbfolge ergibt. Es ist dem Erblasser jedoch freigestellt, die eingesetzten Erben mittels Anordnung den Regeln von Art. 626 zu unterstellen. So können auch eingesetzte Erben der Ausgleichungspflicht unterstehen, aber eben nur mit einer ausdrücklichen Anordnung des Erblassers.

Wer ist ausgleichungsberechtigt?

Die Ausgleichung geltend machen kann nur, wer selber Erbe ist bzw. Erbenstellung hat und behält. Wer ausgleichungsberechtigt ist, gilt als sog. Ausgleichungsgläubiger.

Ausgleichungsgläubiger in der gewillkürten Ausgleichung (Art. 626 Abs. 1 ZGB): Gemäss Gesetz sind die gesetzlichen Erben gegenseitig zur Ausgleichung verpflichtet. Ausgleichungsgläubiger sind also die gesetzlichen Erben. Hat der Erblasser gleichzeitig jemanden als Erben eingesetzt, ist dieser eingesetzte Erbe grundsätzlich nicht Ausgleichungsgläubiger, es sei denn, der Erblasser hätte dies explizit so angeordnet.

Ausgleichungsgläubiger in der gesetzlichen Ausgleichung (Art. 626 Abs. 2 ZGB): Im Gegensatz zu Art. 626 Abs. 1 ZGB regelt der Absatz 2 die Ausgleichungsberechtigung nicht. Es stellt sich also die Frage, ob nur die (anderen) Nachkommen oder auch andere gesetzliche Erben ausgleichungsberechtigt sind im Rahmen der Ausgleichungspflicht eines Nachkommen. Das Bundesgericht sieht in seiner aktuellen Rechtsprechung vor, dass «regelmässig alle Erben», insbesondere auch der Ehegatte des Erblassers, ausgleichungsberechtigt sind. Die herrschende Lehre vertritt den Standpunkt, dass der Ehegatte des Erblassers im Rahmen des Absatz 2 nicht als Ausgleichungsgläubiger gelten soll. Geht man davon aus, dass das Erfordernis der Gegenseitigkeit (wie im Absatz 1 vorgesehen) auch für den Absatz 2 gelten soll, spricht dies dafür, dass nur die Nachkommen Ausgleichungsgläubiger sein können, da auch nur diese ausgleichungsverpflichtet sind.

Aufgrund des Gesagten ist es jedoch ratsam, den Kreis der Ausgleichungsberechtigten auch in der Ausgleichungsanordnung zu thematisieren.

Form von Ausgleichungsanordnung

Das Ausgleichungsrecht ist dispositiver Natur, d.h. es kann abgeändert werden. Wird nichts zur Ausgleichung geregelt, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Der Erblasser kann Abweichungen einseitig anordnen oder mit dem Zuwendungsempfänger vereinbaren.

Das Bundesgericht und die herrschende Lehre qualifizieren solche Ausgleichungsanordnungen bzw. -vereinbarungen als Verfügungen von Todes wegen, so dass diese grundsätzlich den Formvorschriften der Verfügungen von Todes wegen zu genügen haben. Das Bundesgericht hielt jedoch fest, dass Ausgleichungsanordnungen, die gleichzeitig mit der Zuwendung abgegeben werden, formlos gültig sind (BGE 118 II 282, E. 3). Nach herrschender Lehre sind sodann alle Ausgleichungsanordnungen formlos gültig.

Zu beachten bleibt aber folgendes. Wenn der Erblasser die Ausgleichung abweichend von den gesetzlichen Vorschriften bzw. von der geltenden Rechtsprechung regeln möchte, muss sichergestellt sein, dass die entsprechenden erblasserischen Anordnungen Geltung erlangen können. In aller Regel kommen solche Ausgleichungsanordnungen bzw. –vereinbarungen erst nach dem Tod des Erblassers im Rahmen der Erbteilung zum Tragen. Daher macht es Sinn, die entsprechenden Anordnungen mindestens schriftlich abzufassen und allenfalls gleich auch den/die durch die Anordnungen «Begünstigten» bzw. «Berechtigten» damit zu bedienen.

Luzern, 11. August 2021

Simeon Beeler

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