Erben ohne Risiko!

Nicht alle haben das Glück, über eine Erbschaft zu Vermögen zu kommen. Immer wieder gibt es Nachlässe, die überschuldet sind oder bei welchen sich zumindest die Frage stellt, ob nach Abzug von Schulden und Erbgangskosten überhaupt etwas übrigbleibt. Doch welche Optionen bestehen, um vor dem Entscheid über die Annahme der Erbschaft Klarheit zu schaffen bzw. das Risiko zu minimieren?

  1. Möglichkeiten
  1. a) Jeder der Erben hat die Möglichkeit, seine Erbschaft ohne jegliche Begründung auszuschlagen. Übersteigen die Passiven eines Nachlasses die Aktiven, so ist die Erbschaft überschuldet. In diesem Fall wird sie meist von allen Erben innert der gesetzlichen Frist von 3 Monaten (ab Todestag bzw. ab Eröffnung des Testaments) ausgeschlagen werden. Wenn die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todesamtlich festgestellt oder offenkundig war, so wird die Ausschlagungvon Gesetzes wegen gar vermutet. Mit anderen Worten ist in diesen Fällen eine explizite Ausschlagungserklärung zwar nicht erforderlich, meist jedoch dennoch sinnvoll, um Missverständnisse zu verhindern. Die Ausschlagung muss je nach Kanton beim Teilungs- bzw. Erbschaftsamt oder gegenüber dem Gericht erklärt werden.
  1. b) Besteht Ungewissheitdarüber, ob der Saldo einer Erbschaft positiv oder negativ ist, kann jeder Erbe vor seinem Entscheid über die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft die Aufnahme eines öffentlichen Inventars Das öffentliche Inventar ist innert Monatsfrist nach dem Tod zu verlangen, wiederum je nach Kanton entweder beim Gericht oder beim Teilungs- bzw. Erbschaftsamt.
  1. c) Die dritte Option besteht darin, während der Frist zur Ausschlagung die amtliche Liquidation der Erbschaft zu beantragen. Faktisch ist dazu die Einwilligung aller Erben bzw. ein entsprechender Antrag erforderlich. Die Legitimation dazu entspricht jener für die Beantragung des öffentlichen Inventars. In besonderen Fällen (z.B. auf Gesuch eines Gläubigers hin) kann die amtliche Liquidation ohne Widerstand der Erben dagegen auch auf Initiative der Behörde eingeleitet werden.

Falls alle Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben, kommt es gar zur konkursamtlichen Liquidation.

  1. Folgen
  1. a) Durch die Ausschlagung der Erbschaft fällt der gesetzliche Erbe ausser Betracht. Sein Anteil vererbt sich, wie wenn er den Erbfall nicht erlebt hätte, d.h. wie wenn er vor dem Erblasser verstorben wäre. Hat der ausschlagende gesetzliche Erbe Nachkommen, rücken diese an seine Stelle. Gegebenenfalls ist also auch für noch minderjährige Nachkommen analog auszuschlagen.

Der Anteil eines ausschlagenden eingesetzten Erben hingegen fällt mangels anderer letztwilliger Anordnung an die gesetzlichen Erben des Erblassers.

  1. b) Mit der Aufnahme des öffentlichen Inventarserfolgt ein öffentlicher Rechnungsruf (über Aktiven und Passiven). Die zuständige Behörde erstellt aufgrund dieses Rechnungsrufes, der Angaben aus öffentlichen Büchern und Papierenund der Angaben der Erben das öffentliche Inventar. Nach Auflage des Inventars zur Einsichtnahme hat jeder gesetzliche oder eingesetzte Erbe innert Monatsfrist zu entscheiden, ob er die Erbschaft
  1. unter öffentlichem Inventar annehmen,
  2. die amtliche Liquidation verlangen,
  3. die Erbschaft ausschlagen oder
  4. vorbehaltlos annehmen will.

Mit der Annahme unter öffentlichem Inventar gehen nur diejenigen Schulden des Erblassers auf die Erben über, die im Inventar aufgenommen worden sind. Für diese Schulden haftet jeder Erbe aber sowohl mit der Erbschaft als auch mit seinem eigenen Vermögen! Unbeschränkt mit der ganzen Erbschaft haften die Erben aber für Forderungen aus öffentlichem Recht (Steuerschulden, AHV-Beiträge etc.).

  1. c) Wie beim Konkurs einer Gesellschaft nimmt das Konkursamt im Falle der konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft in Anwendung der Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) ein Inventar über die Aktiven und die Passiven auf. Nach Tilgung sämtlicher Schulden (auch der Konkurskosten) durch die Aktiven fällt ein allfälliger Resterlös an die gesetzlichen Erben. Im Rahmen der konkursamtlichen Liquidation der Nachlassbestände werden die Gegenstände oder Forderungen aber nicht zwingend Dritten überlassen: So können auch die ausschlagenden Erben der Konkursverwaltung ein Kaufsangebot unterbreiten oder Guthaben aus Versicherungen, aus der beruflichen Vorsorge oder aus der gebundenen Vorsorge unter Umständen sogar direkt beanspruchen. Familienangehörige der verstorbenen Person, welche im gleichen Haushalt gelebt haben, dürfen sodann gewisse Kompetenzgegenstände von Gesetzes wegen für sich beanspruchen. Nicht selten macht es auch Sinn, Nachlassgegenstände im Rahmen der konkursamtlichen Liquidation zu einem günstigen Preis käuflich zu erwerben. Anstelle des Nachlassgegenstandes dient in diesem Fall einzig noch der Kaufpreis zur Deckung der Nachlasspassiven.

Fragen Sie uns, wenn Sie Zweifel darüber haben, wie Sie sich verhalten sollen bzw. welches Ihre Rechte sind!

Luzern, 3. September 2021

Reto Marbacher

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